Die Heilpflanzen der Kelten

Nur wenige Kilometer von meinem Wohnort entfernt erhebt sich der Dürrnberg und damit eine der bedeutendsten keltischen Ausgrabungsstätten. Immer, wenn ich dort nach Pflanzen für meine persönliche Hausapotheke Ausschau halte, frage ich mich, was wohl die Kelten seinerzeit gegen Kopfschmerzen, Fieber, Verletzungen und dergleichen mehr eingesetzt haben. Da trifft es sich gut, dass sich mit dem Halleiner Keltenmuseum auch gleich eine wichtige Forschungsstätte in meiner unmittelbaren Umgebung findet. Eine Spurensuche.


Vor etwa zweieinhalbtausend Jahren siedelten die Kelten praktisch im gesamten Salzburger Becken. Pflanzliche Fundstücke, die über die keltische “Phytotherapie” Auskunft geben könnten, sind – leider – dennoch Mangelware. Die Ärchaologen fanden am Dürrnberg bisher lediglich Pestwurz und/oder Huflattich sowie – in winziger Menge – etwas Salbei. “Pestwurz und/oder Huflattich” deshalb, weil die Identifikation nicht ganz einfach ist: Die beiden Kräuter sehen sich schon in frischem Zustand zum Verwechseln ähnlich, nach zweieinhalbtausend Jahren treten die minimalen Unterscheidungsmerkmale nicht eben deutlicher zutage.

Das "Erste -Hilfe-Paket" im  Keltenbergwerg

In der Volksheilkunde kam Pestwurz früher – wie schon der Name sagt – zur Behandlung der Pest zum Einsatz. Huflattich wiederum ist ein äußerst wirksames Hustenmittel. Für beide Kräuter gibt es aber auch idente Anwendungen, etwa dort, wo es gilt, mit entzündungshemmenden und antibakteriellen Pflanzenwirkstoffen Wunden zu versorgen. Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass die gefundenen Kräuter eine Art “Erste-Hilfe-Paket” für die im Salzbergwerk beschäftigten Kelten darstellten. (Beide Heilpflanzen sind übrigens wegen ihres Gehalts an Pyrrolizidinalkaloiden und der damit verbundenen Gefahr einer Leberschädigung in Apotheken nicht mehr erhätlich.)

Faktum ist, dass die Kelten über ein relativ hochstehendes medizinisches Know-how auf dem Gebiet der Chirurgie verfügten: Knochenfunde geben Aufschluss über medizinisch indizierte Schädelöffnungen. Die Schädeldecken wurden mittels Bohr-, wie auch Schabtrepanation geöffnet, wobei die Archäologen aufgrund der Fundstücke davon ausgehen, dass diese Operationen durchaus erfolgreich verlaufen sind. Um es konkret zu formulieren: Der Patient hat den Eingriff auch überlebt.

Gab es "Druiden"  im Salzburger Raum?

Da drängt sich jetzt natürlich die Frage auf, inwieweit es sich bei den keltischen Ärzten um die immer wieder erwähnten “Druiden” - eine irgendwo zwischen Heiler und Priester angesiedelte Kaste - gehandelt hat. Die Antwort der Keltologen: Überlieferungen über Druiden als Priesterklasse betreffen den französischen Raum und die britischen Inseln. Für unsere Region gibt es keinerlei Hinweis auf ihre Existenz.

Und um gleich mit noch einem Mythos aufzuräumen: den keltischen Baumkalender (das keltische Baumhoroskop) gab’s in dieser Form auch nicht, der ist eine Erfindung des 20. Jahrhunderts. 1971 kreierte die französische Journalistin Paule Delsol im Auftrag des Mode- und Lifestyle-Magazins “Marie Claire” eine ganze Reihe von Horoskopsystemen, die “alten” Kulturen nachempfunden waren. Ob “keltischer Baumkalender” oder “tibetisches” und ”arabisches” Horoskop – alles von Delsol frei erfunden.

Diese Rekonstruktion eines keltischen Streitwagens erwartet die BesucherInnen gleich am Beginn ihres Rundganges durch das Halleiner Keltenmuseum. Das Hairstyling entspricht übrigens historischen Tatsachen: Kalklauge sorgte für stachelig abstehende Haare u

Aber zurück zur Wissenschaft und warum es so schwierig ist, den Kelten nachzuspüren. Viele Mythen und Beschreibungen, die sich um „die Kelten“ ranken, basieren auf Aufzeichnungen, die im frühen Mittelalter in Irland entstanden, von dort übernommen und dann auf alles, was „celtic“ hieß, umgelegt wurden. Wenn wir aber beispielsweise von den Kelten in unserer Region sprechen, dann reden wir über die Hallstatt- und Latène-Zeit, also den Zeitraum 8. bis 1. Jahrhundert vor Beginn unserer Zeitrechnung! Im Mittelalter waren die Kelten aus dem Salzburger Raum längst schon verschwunden…

Kelte ist  nicht  gleich Kelte

Das zeigt sehr deutlich, wie weit die Spannweite dessen ist, was gemeinhin als “keltisch” gilt. Häufig geht es bei diesem Begriff nicht um eine ethnische sondern eine rein sprachwissenschaftliche Zuordnung, weshalb das Etikett “celtic” an unterschiedlichen eisenzeitlichen Volksstämmen quer durch Europa klebt. In der Nord-Süd-Achse findet sich Keltisches von Irland bis Norditalien, von Westen nach Osten gedacht führt die keltische Linie von Nordspanien bis Westungarn bzw. den Norden Kroatiens. Mittlerweile sind viele Keltologen überzeugt, dass beispielsweise ein irischer Kelte mit einem Kelten des alpinen Raums praktisch nichts zu tun hat (so wie sich Rumänen und Franzosen hinsichtlich Lebensart, Kultur und Religion durchaus entscheiden, obwohl beide Nationen dem romanischen Sprachkreis zugeordnet werden).

Über die Kelten gäbe es noch viel zu erzählen, was hier freilich den Rahmen sprengen würde. Einblick in das Leben der Kelten geben die Fundstücke vom Dürrnberg, die im Keltenmuseum in Hallein ausgestellt und damit (täglich von 9.00 bis 17.00 Uhr) der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Linktipp: Keltenmuseum

Abschließend noch ein persönlicher Hinweis: Mir ging es bei meinen Recherchen bewusst um einen wissenschaftlichen Zugang. Dass dabei Druiden und Baumkalender auf der Strecke geblieben sind, wird echte Pflanzenliebhaber nicht weiter stören. Wer ein tieferes Verständnis für die Tier- und Pflanzenwelt sucht, braucht dazu keine Mystifizierung der Vergangenheit. Mit nur ein bisschen Liebe zur Natur findet er den Schlüssel zur “Anderswelt” im Hier und Jetzt.